Das erste Wochenende und damit die erste Hälfte
des Stockholm Beer and Whisky Festivals
2013 ist geschafft. Perfekter Zeitpunkt für ein kleines Resümee meinerseits.
Zuerst einmal muss ich feststellen, dass
es bei dieser Biermesse unglaublich leicht ist mit den Brauern seines
Vertrauens in Kontakt bzw. ins Gespräch zu kommen. Dieser Sachverhalt allein
macht das SBWF so besonders und
liebenswert. Jeder mit Interesse für das Bierhandwerk kann hier auf seine
Kosten kommen und Stunden der Muße erleben.
Abgesehen von einer einzigen Ausnahme
zeigten sich die Brauer und Aussteller allesamt freundlich, immer gesprächsbereit
und auch tolerant. Was bei einer Biermesse aufgrund der ausgeschenkten
alkoholhaltigen Getränke wahrscheinlich nicht immer so leicht ist.
Auf diese Weise gewannen wir die
Erkenntnisse, dass die Hantverksbryggeriet
aus Västerås mit dem Sheriffen nicht
nur ein sehr gutes American Pale Ale geschaffen hat, sondern der Brauer
und seine Frau auch sehr nette Personen sind und dass die charakteristischen
dickbäuchigen Oldschool-Bierflaschen, die die Brauerei konsequent für ihre
Produkte nutzt und wir zuletzt im Berlin des letzten Jahrtausend gesehen haben,
aus Deutschland stammen.
Das neue Leichtbier Kusken (der Kutscher) kam bei unserer weiblichen Begleitung gut an
und wird sicherlich als Bordsöl (Tischbier) seinen Weg machen.
Bei den Brüdern Ek von der Brekeriet aus Staffanstorp, die dank
ihrer außergewöhnlichen Biere im letzten Jahr wohl einen beispiellosen Aufstieg
in der schwedischen Bierwelt erlebt haben, erfuhren wir, dass sie in Zukunft weiterhin
beim Brauen auf die Benutzung des Hefepilzes Brettanomyces setzen und für die Brüder die Herstellung
eines Bieres mit Milchsäurebakterien (Berliner Weiße) eher unwahrscheinlich
ist.
Zu den guten Nachrichten des Tages gehörte
ohne Zweifel die Bestätigung, dass das beliebte Johannisbeeren-Bier Cassis von den Brüdern letzte Woche gerade
frisch angerührt wurde und frühestens Anfang nächsten Jahres wieder zu kaufen sein
wird.
Außerdem probierten wir das neue
Sanddorn-Bier Argouse. Ein ausgezeichnetes
Sauerbier (Sour-Ale) mit Kuhstallgeruch vom Feinsten (wegen dem o.g. Hefepilz)
und einem ausgeprägt sauren und bitteren, aber harmonischen Geschmack.
Bei den dänischen Teufelsbrauern der Bryggeriet Djævlebryg probierten wir dann
ein sehr rauchiges Brettanomyces-Bier. Das Mareridt-
A Smoke Brett vereint fruchtiges und rauchiges in einem tollen Getränk! Also
unbedingt zu testen.
Auch ein Bockbier landete im Glas und zwar das Nils Oscar Pallator. Praktischerweise nach dem Brauer Palle (Patrick Holmqvist) benannt. Nur damit keine Irritationen entstehen.
Endlich gelang es uns auch, Dänemarks
Pilsner des Jahres zu testen. Das ökologische Thisted Thy Pilsner
zeigte sich dann auch als gutes herbes Bier. Der schwedische Importeur vom Båstad
Vinhandel wirkte sehr nett und zeichnet sich zusätzlich dafür aus, nur
ökologische Produkte im Sortiment zu haben.
Bei der Eskilstuna Ölkultur kosteten wir das nagelneue White IPA, also ein India Pale Ale aus Weizenmalz. Nicht ganz
überraschend schmeckte es dann auch wie eine Mischung aus Weizenbier und IPA und das überhaupt
nicht schlecht.
Beim Stand der Flying Brewer trafen wir dann auf einen Österreicher, der am schönen
Siljan-See in Dalarna mit einem schwedischen Kompagnon Biere braut. Auch das in
Schweden eher unbekannte Radler wird von der neuen Brauerei angeboten. Die
Zukunft wird zeigen, ob die Einheimischen dafür bereit sind.
Fassbiere von Mikro- und Handwerksbrauereien aus Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark an nur einem Messestand |
Zwischendurch machten wir eine längere
Pause mit Abendbrot (Rentiergeschnetzeltes! Lecker!) und frischer Luft. Danach
probierten wir das Humledugg India Pale
Ale der Trondheimer Brauerei Austmann,
die uns schon im Sommer mit ihren Premiere-Bieren überzeugte. Auch diese malzige
und karamelllastige Version eines India
Pale Ales ist den Norwegern sehr gut gelungen. An Norwegens Brauhimmel blinkt
ein neuer Stern.
Die Wahl zum Bier des Abends fiel einstimmig
auf ein Bier der Stronzo Brewing Company
aus Kopenhagen, hergestellt in Bie´s Bryglab in Farum. Das Stronzo´s 1000 EBC Morning Wood, ein Imperial Oaked Coffee Stout
ist ein dunkles Meisterwerk mit 16 % Alkohol. Es wurde unter kräftiger Zuhilfenahme
vom Kaffee und Eichenspäne hergestellt. Dieses Extrem-Bier roch stark nach
frisch gemahlenen Kaffee, schmeckte dann aber vor allem nach geschmolzener
Bitterschokolade. Ein herrliches Erlebnis! Aber sicherlich kein Bier für den
Alltag.
Von den neugestarteten Brauereien lernten
wir noch eine Auswahl der Biere der Nääs
Gårdsbryggeri und der Adelsö
Bryggeri kennen. In beiden Brauereien scheint man sein Handwerk zu
verstehen. Unter den probierten Bieren befand sich jedenfalls keins, was uns unangenehm
aufgefallen wäre.
Doch Mensch lebt nicht von skandinavischen
Bieren allein. An den vielen hundert oder tausenden Bieren nordamerikanischer und
anderer Handwerksbrauereien konnte man nicht einfach so vorbeigehen. Es gibt in
Europa sicherlich nur wenige Stellen mit vergleichbarem großen Angebot, wenn
überhaupt.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
tranken wir auch ein Probierschlückchen vom Engel Weisse der Elevation
Beer Co. Eine hervorragende bzw.
leckere Berliner Weiße aus Colorado in den USA, nur leider nicht aus meiner
alten Heimatstadt Berlin. Den Markennamen Berliner Weiße haben sich die
Berliner Brauer schützen lassen, das Engel Weisse verkauft man dann auch sicherheitshalber
unter der Bezeichnung "Nach Art der Berliner Weiße", während die
Berliner Brauer aber die große Chance verstreichen lassen und den Trend nach
neuen "alten" Biersorten komplett verschlafen. Die Mainstream-Version
der Kindl-Brauerei jetzt mal außen vor gelassen.
Von der neuseeländischen Brauerei Epic Brewing war eigens der Brauer Luke
Nicholas um die halbe Welt gereist und machte den gesamten Abend über ein
glückliches Gesicht. Seine Biere Mayhem,
Hop Zombie und Armageddon IPA sorgten dann bei den Besuchern der Messe für ein
ebenso solches.
Von der Boulevard Brewing Com. aus Kansas City standen ebenfalls eine ganze
Reihe von Bieren bereit, beispielsweise das Tank 7 ein beeindruckendes Saisonbier und das "Schwesternbier"
Saison-Brett, wie das Tank 7 hergestellt,
nur zusätzlich mit Flaschengärung und wiederum Brettanomyces-Hefepilz.
Hopfenkunde |
Zum Abschluss fanden wir noch das Cuvee de Tomme von Lost Abbey (Port Brewing), das offiziell als Sour Red Ale verkauft wird, sich aber als Bier mit dem Charakter bzw. dem Geschmack eines Oloroso Sherry entpuppte, fruchtig (Weintraube!), alkohollastig und cremig und auf unseren jeweiligen Einkaufslisten für Feiertagsbiere landete.
Wer sich an dieser Stelle fragt, wie schaffen
die das überhaupt so viele Biere zu trinken?
Natürlich nur mit eiserner Disziplin!
Nein! Spaß beiseite. Das Geheimnis ist gar
kein richtiges Geheimnis. Beim Stockholm
Beer and Whisky Festival ist es üblich, sich nur Probierschlücke von höchsten
15 cl einschenken zu lassen. Muss man natürlich nicht, kann man aber, wenn der
Abend länger andauern soll. Insofern spielt die Disziplin doch eine kleine
Rolle. Dazu kommt der Konsum von viel Wasser!
Ansonsten ließen wir alle Vorträge aus, der
Live-Musik haben wir uns nur ganz kurz gewidmet, Whisky und Champagner haben
wir auch ausgelassen und trotzdem litten wir niemals an Langeweile.
Nach sechs Stunden verließen wir fröhlich das
Messegelände.
Unser Fazit lautet dann auch, es ist unmöglich alle Biere kennenzulernen. Die Wahl eines Bieres ist auch immer die Abwahl vieler anderer Biere.
Als Trend, soweit man das festhalten und so ausdrücken darf, sind wahrscheinlich die Brettanomyces-Biere zu benennen, die vor nicht so allzu langer Zeit nur wenigen Freunden belgischer Biere ein Begriff waren, bei dieser Messe aber gefühlt bei jedem zweiten Stand angeboten wurden.
Das soll nicht heißen, dass andere Biersorten weniger populär sind. Der zweite feststellbare Trend, und der gilt wohl auch für den Rest der Welt und nicht nur für Skandinavien, ist die Tendenz der Handwerksbrauer wenigstens die verbreitesten Biersorten im eigenen Sortiment zu haben. Jetzt fehlt nur noch eine Berliner Brauerei mit einer tollen Berliner Weiße im Programm :-)
Unser Fazit lautet dann auch, es ist unmöglich alle Biere kennenzulernen. Die Wahl eines Bieres ist auch immer die Abwahl vieler anderer Biere.
Als Trend, soweit man das festhalten und so ausdrücken darf, sind wahrscheinlich die Brettanomyces-Biere zu benennen, die vor nicht so allzu langer Zeit nur wenigen Freunden belgischer Biere ein Begriff waren, bei dieser Messe aber gefühlt bei jedem zweiten Stand angeboten wurden.
Das soll nicht heißen, dass andere Biersorten weniger populär sind. Der zweite feststellbare Trend, und der gilt wohl auch für den Rest der Welt und nicht nur für Skandinavien, ist die Tendenz der Handwerksbrauer wenigstens die verbreitesten Biersorten im eigenen Sortiment zu haben. Jetzt fehlt nur noch eine Berliner Brauerei mit einer tollen Berliner Weiße im Programm :-)
Vom kommenden Donnerstag bis Sonnabend findet die nächste Runde
des diesjährigen Festivals statt. Wer die Gelegenheit noch nicht genutzt hat,
sollte diese zweite Chance nicht verstreichen lassen.
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