Dienstag, 1. Oktober 2013

Bericht vom Stockholm Beer and Whisky Festival 2013




Das erste Wochenende und damit die erste Hälfte des Stockholm Beer and Whisky Festivals 2013 ist geschafft. Perfekter Zeitpunkt für ein kleines Resümee meinerseits.

Zuerst einmal muss ich feststellen, dass es bei dieser Biermesse unglaublich leicht ist mit den Brauern seines Vertrauens in Kontakt bzw. ins Gespräch zu kommen. Dieser Sachverhalt allein macht das SBWF so besonders und liebenswert. Jeder mit Interesse für das Bierhandwerk kann hier auf seine Kosten kommen und Stunden der Muße erleben.

Abgesehen von einer einzigen Ausnahme zeigten sich die Brauer und Aussteller allesamt freundlich, immer gesprächsbereit und auch tolerant. Was bei einer Biermesse aufgrund der ausgeschenkten alkoholhaltigen Getränke wahrscheinlich nicht immer so leicht ist.


Beim Stand der Hantverksbryggeriet aus Västerås


Auf diese Weise gewannen wir die Erkenntnisse, dass die Hantverksbryggeriet aus Västerås mit dem Sheriffen nicht nur ein sehr gutes American Pale Ale geschaffen hat, sondern der Brauer und seine Frau auch sehr nette Personen sind und dass die charakteristischen dickbäuchigen Oldschool-Bierflaschen, die die Brauerei konsequent für ihre Produkte nutzt und wir zuletzt im Berlin des letzten Jahrtausend gesehen haben, aus Deutschland stammen.
Das neue Leichtbier Kusken (der Kutscher) kam bei unserer weiblichen Begleitung gut an und wird sicherlich als Bordsöl (Tischbier) seinen Weg machen.


Fassbiere der Brekeriet


Bei den Brüdern Ek von der Brekeriet aus Staffanstorp, die dank ihrer außergewöhnlichen Biere im letzten Jahr wohl einen beispiellosen Aufstieg in der schwedischen Bierwelt erlebt haben, erfuhren wir, dass sie in Zukunft weiterhin beim Brauen auf die Benutzung des Hefepilzes Brettanomyces setzen und für die Brüder die Herstellung eines Bieres mit Milchsäurebakterien (Berliner Weiße) eher unwahrscheinlich ist.

Zu den guten Nachrichten des Tages gehörte ohne Zweifel die Bestätigung, dass das beliebte Johannisbeeren-Bier Cassis von den Brüdern letzte Woche gerade frisch angerührt wurde und frühestens Anfang nächsten Jahres wieder zu kaufen sein wird.
Außerdem probierten wir das neue Sanddorn-Bier Argouse. Ein ausgezeichnetes Sauerbier (Sour-Ale) mit Kuhstallgeruch vom Feinsten (wegen dem o.g. Hefepilz) und einem ausgeprägt sauren und bitteren, aber harmonischen Geschmack.

Bei den dänischen Teufelsbrauern der Bryggeriet Djævlebryg probierten wir dann ein sehr rauchiges Brettanomyces-Bier. Das Mareridt- A Smoke Brett vereint fruchtiges und rauchiges in einem tollen Getränk! Also unbedingt zu testen.





Auch ein Bockbier landete im Glas und zwar das Nils Oscar Pallator. Praktischerweise nach dem  Brauer Palle (Patrick Holmqvist) benannt. Nur damit keine Irritationen entstehen.  

Endlich gelang es uns auch, Dänemarks Pilsner des Jahres zu testen. Das ökologische Thisted Thy Pilsner zeigte sich dann auch als gutes herbes Bier. Der schwedische Importeur vom Båstad Vinhandel wirkte sehr nett und zeichnet sich zusätzlich dafür aus, nur ökologische Produkte im Sortiment zu haben. 

Schwedische Mikrobrauereien haben in diesem Jahr erstmals eine eigene Halle


Bei der Eskilstuna Ölkultur kosteten wir das nagelneue White IPA, also ein India Pale Ale aus Weizenmalz. Nicht ganz überraschend schmeckte es dann auch wie eine Mischung aus Weizenbier und IPA und das überhaupt nicht schlecht.

Beim Stand der Flying Brewer trafen wir dann auf einen Österreicher, der am schönen Siljan-See in Dalarna mit einem schwedischen Kompagnon Biere braut. Auch das in Schweden eher unbekannte Radler wird von der neuen Brauerei angeboten. Die Zukunft wird zeigen, ob die Einheimischen dafür bereit sind.


Fassbiere von Mikro- und Handwerksbrauereien aus Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark an nur einem Messestand


Zwischendurch machten wir eine längere Pause mit Abendbrot (Rentiergeschnetzeltes! Lecker!) und frischer Luft. Danach probierten wir das Humledugg India Pale Ale der Trondheimer Brauerei Austmann, die uns schon im Sommer mit ihren Premiere-Bieren überzeugte. Auch diese malzige  und karamelllastige Version eines India Pale Ales ist den Norwegern sehr gut gelungen. An Norwegens Brauhimmel blinkt ein neuer Stern.





Die Wahl zum Bier des Abends fiel einstimmig auf ein Bier der Stronzo Brewing Company aus Kopenhagen, hergestellt in Bie´s Bryglab in Farum. Das Stronzo´s 1000 EBC Morning Wood, ein Imperial Oaked Coffee Stout ist ein dunkles Meisterwerk mit 16 % Alkohol. Es wurde unter kräftiger Zuhilfenahme vom Kaffee und Eichenspäne hergestellt. Dieses Extrem-Bier roch stark nach frisch gemahlenen Kaffee, schmeckte dann aber vor allem nach geschmolzener Bitterschokolade. Ein herrliches  Erlebnis! Aber sicherlich kein Bier für den Alltag.





Von den neugestarteten Brauereien lernten wir noch eine Auswahl der Biere der Nääs Gårdsbryggeri und der Adelsö Bryggeri kennen. In beiden Brauereien scheint man sein Handwerk zu verstehen. Unter den probierten Bieren befand sich jedenfalls keins, was uns unangenehm aufgefallen wäre.

Doch Mensch lebt nicht von skandinavischen Bieren allein. An den vielen hundert oder tausenden Bieren nordamerikanischer und anderer Handwerksbrauereien konnte man nicht einfach so vorbeigehen. Es gibt in Europa sicherlich nur wenige Stellen mit vergleichbarem großen Angebot, wenn überhaupt. 



Mit einem lachenden und einem weinenden Auge tranken wir auch ein Probierschlückchen vom Engel Weisse der Elevation Beer Co.  Eine hervorragende bzw. leckere Berliner Weiße aus Colorado in den USA, nur leider nicht aus meiner alten Heimatstadt Berlin. Den Markennamen Berliner Weiße haben sich die Berliner Brauer schützen lassen, das Engel Weisse verkauft man dann auch sicherheitshalber unter der Bezeichnung "Nach Art der Berliner Weiße", während die Berliner Brauer aber die große Chance verstreichen lassen und den Trend nach neuen "alten" Biersorten komplett verschlafen. Die Mainstream-Version der Kindl-Brauerei jetzt mal außen vor gelassen.




Von der neuseeländischen Brauerei Epic Brewing war eigens der Brauer Luke Nicholas um die halbe Welt gereist und machte den gesamten Abend über ein glückliches Gesicht. Seine Biere Mayhem, Hop Zombie und Armageddon IPA sorgten dann bei den Besuchern der Messe für ein ebenso solches.

Von der Boulevard Brewing Com. aus Kansas City standen ebenfalls eine ganze Reihe von Bieren bereit, beispielsweise das Tank 7 ein beeindruckendes Saisonbier und das "Schwesternbier" Saison-Brett, wie das Tank 7 hergestellt, nur zusätzlich mit Flaschengärung und wiederum Brettanomyces-Hefepilz.


Hopfenkunde


Zum Abschluss fanden wir noch das Cuvee de Tomme von Lost Abbey (Port Brewing), das offiziell als Sour Red Ale verkauft wird, sich aber als Bier mit dem Charakter bzw. dem Geschmack eines Oloroso Sherry entpuppte, fruchtig (Weintraube!), alkohollastig und cremig und auf unseren jeweiligen Einkaufslisten für Feiertagsbiere landete.

Wer sich an dieser Stelle fragt, wie schaffen die das überhaupt so viele Biere zu trinken?
Natürlich nur mit eiserner Disziplin!


Nur Probeschlücke


Nein! Spaß beiseite. Das Geheimnis ist gar kein richtiges Geheimnis. Beim Stockholm Beer and Whisky Festival ist es üblich, sich nur Probierschlücke von höchsten 15 cl einschenken zu lassen. Muss man natürlich nicht, kann man aber, wenn der Abend länger andauern soll. Insofern spielt die Disziplin doch eine kleine Rolle. Dazu kommt der Konsum von viel Wasser!

Ansonsten ließen wir alle Vorträge aus, der Live-Musik haben wir uns nur ganz kurz gewidmet, Whisky und Champagner haben wir auch ausgelassen und trotzdem litten wir niemals an Langeweile.
Nach sechs Stunden verließen wir fröhlich das Messegelände. 

Unser Fazit lautet dann auch, es ist unmöglich alle Biere kennenzulernen. Die Wahl eines Bieres ist auch immer die Abwahl vieler anderer Biere.

Als Trend, soweit man das festhalten und so ausdrücken darf, sind wahrscheinlich die Brettanomyces-Biere zu benennen, die vor nicht so allzu langer Zeit nur wenigen Freunden belgischer Biere ein Begriff waren, bei dieser Messe aber gefühlt bei jedem zweiten Stand angeboten wurden. 

Das soll nicht heißen, dass andere Biersorten weniger populär sind. Der zweite feststellbare Trend, und der gilt wohl auch für den Rest der Welt und nicht nur für Skandinavien, ist die Tendenz der Handwerksbrauer wenigstens die verbreitesten Biersorten im eigenen Sortiment zu haben. Jetzt fehlt nur noch eine Berliner Brauerei mit einer tollen Berliner Weiße im Programm :-)






Vom kommenden Donnerstag bis Sonnabend findet die nächste Runde des diesjährigen Festivals statt. Wer die Gelegenheit noch nicht genutzt hat, sollte diese zweite Chance nicht verstreichen lassen.


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