Nynäshamns Arketyp, Traditionelles Ale, 10 % Alk., Schweden, Nynäshamns Ångbryggeri
Vielen Biertrinkern wird es vielleicht egal sein, dass sie Teil einer
uralten Tradition sind. Doch kann es nie schaden, den Dingen auf den Grund zu
gehen.
Viele überkommende Bilder und Hieroglyphen aus dem alten Ägyptern und
Tontafeln der alten Sumerer beweisen die
Beherrschung der Braukunst seit Jahrtausenden. Es gilt als sicher, dass die Menschen
seit mindestens 6000 Jahren Getränke aus vergorenem Getreide herstellen.
Es gibt sogar Theorien, die davon ausgehen, die Menschheit wäre überhaupt
erst sesshaft geworden, weil sie Getreide fürs Bierbrauen anbaute, statt, wie
heute vorherrschende Meinung ist, zum Brotbacken.
Sicher schmeckten diese Getränke völlig anders als heute. Vielleicht
sogar eklig für unsere verwöhnten Gaumen. Die Benutzung von Hopfen beim
Brauvorgang beispielsweise wurde erst im Mittelalter eingeführt. Stattdessen mengten
unsere Vorfahren gern alle möglichen
Kräuter und andere Pflanzen, je nach Region und Klima, ihrem Gebräu bei.
Dem Professor und Biomolekular-Archäologen (Was für eine
Berufsbezeichnung!) Patrick McGovern aus Philadelphia /USA ist es hoch
anzurechnen, dass er ein wenig Licht ins Dunkle bringen möchte. Anhand
von archäologischen Funden versucht Herr McGovern nachzuvollziehen, wie die Getränke
einst hergestellt wurden, und wie sie schmeckten.
In Zusammenarbeit mit den Brauern Sam Calagione (Dogfish Head Brewery aus
Delaware, USA), Teo Musso (Le Baladin,
Italien) und Leo Di Vincenzo (Birra del Borgo, ebenfalls Italien) braute er zum Beispiel bereits in der Vergangenheit ein Bier, dessen Zutaten er aus Funden
aus etruskischen Grabungsstätten rekonstruierte. Heraus kam ein Ale mit dem
Namen Birra Etrusca Bronze.
Nunmehr widmete sich Herr McGovern dem schönen Nordeuropa in gleicher
Weise. Aus einem 3500-Jahren alten Gefäß aus Birkenrinde, das einem Grab einer
Frau im heutigen Dänemark beilag, gewann er mit Hilfe allerhand Analysen ein Bild von
Bier, das er nun in der schwedischen Nynäshamns Ångbryggeri und mit Hilfe von Lasse Ericsson und wiederum Sam Calagione nachbraute.
Tranken so etwas die skandinavischen Vorfahren? |
Dieses Bier heißt ganz passend Arketyp, also Archetyp und wurde unter
der Benutzung von Weizen, Preiselbeeren, Moosbeeren, Gagelstrauch (Um Himmelswillen! Was ist
das?), Schafgarbe, echtes Mädesüß (Und was ist das erst?), Honig und
Birkensirup gebraut. Auch der Hopfen wurde nicht vergessen, was dem Geschmack, der Konsistenz und der Lagerfähigkeit sicherlich gut getan hat, obwohl aus historischer Sicht eben
kein Grund zu seiner Benutzung vorlag. Vom Arketyp existieren lediglich
8000 Flaschen und die sind seit gestern in ausgewählten Filialen des
schwedischen Alkoholmonopolisten Systembolaget erhältlich.
Dieses interessante Experiment konnten wir uns als Skandinavien-Bierfreunde natürlich nicht entgehen
lassen. Wir haben deshalb über Nacht ein Fläschchen kaltgestellt. Bei einem Inhalt
von 250 ml per Flasche bleibt bei zwei Personen für den Einzelnen nicht viel
übrig, bei einem Alkoholgehalt von 10 % muss das aber nicht unbedingt schlecht sein.
Das bernsteinfarbene Bier riecht stark nach süßem Malz, gebranntem Zucker, Honig, Flieder und Alkohol. Es erinnert dabei an einen normalen Barley Wine.
Beim Trinken prickelt es sofort im Mund. Dann entfaltet sich eine gehörige und die Gesichtsmuskeln verziehende Säuerlichkeit, bevor sich auch etwas Malzsüße einstellt. Es schmeckt nach den Beeren, nach Blütenduft, nach Cola, nach Brot, nach Kräutern und nach irgendeiner Art von Süßigkeit. Außerdem zeigt sich der Alkohol sehr deutlich.
Das Bier ist mindestens bis Mitte 2016 haltbar und die Frage, die sich mir unmittelbar stellt, ist, gewinnt das Bier noch bei Lagerung?
Dieses Ale aus einer anderen Zeit schmeckt außergewöhnlich. Es entspricht keinem mir bekannten Bier und ich glaube auch nicht, der allgemeinen Vorstellung von gutem Biergeschmack. Trotzdem geben wir diesem Bier drei Sterne, der Kreativität, der Tradition und der Einzigartigkeit wegen.
Nachtrag: Wegen der Anfragen zum Bezug bzw. Kauf dieses Bieres mit dem schönen Namen Arketyp bzw. Kvasir aufgrund des Artikels im Spiegel vom 26.01.2014 will ich hinzufügen, dass es noch wenige Flaschen in einigen Filialen des Alkoholmonopolisten Systembolaget zum stolzen Preis von 75,- schwedischen Kronen zu kaufen gibt. Bei einem Wohnsitz in Schweden ist das Bier auch an jeden Ort innerhalb des Landes bestellbar. Ansonstens wird das Bier in "Rest-Europa" nicht erhältlich sein.
Viele Grüße
el
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